Samstag, 21. August 2010

Das Hin und Her zwischen Sinnlichkeit und Vergeistigung.


Narziß und Goldmund

Auszug aus Hermann Hesse - Narziß und Goldmund


Eine wunderliche Freundschaft war es, welche zwischen Narziß und
Goldmund begann; wenigen nur gefiel sie, und manchmal konnte es so scheinen, als mißfiele sie den beiden selbst. Narziß, der Denker, hatte es damit zunächst am schwersten. Ihm war alles Geist, auch die Liebe; es war ihm nicht gegeben, gedankenlos sich einer Anziehung anheimzugeben. Es war in dieser Freundschaft der führende Geist, und lange Zeit war er es allein, der Schicksal, Umfang und Sinn dieser Freundschaft bewußt erkannte. Lange Zeit blieb er einsam mitten im Lieben und wußte, daß der Freund ihm erst dann wirklich angehören werde, wenn er ihn zur Erkenntnis würde geführt haben. Innig und glühend, spielend und rechenschaftslos gab Goldmund sich dem neuen Leben hin; wissend und verantworlich nahm Narziß das hohe Schicksal an.


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